Die Losgelassenheit des Pferdes – Ausbilden und Reiten ohne Zwang
Reiten und Ausbilden ohne Zwang!
Das versprechen heute so viele selbsternannte Spezialisten, die mit ständig neuen Lehren den Markt überschwemmen. Nur Losgelassenheit erzielen alle diese Lehren nicht. Sie versprechen den einfachen und schnellen Weg, den es bei der Ausbildung des Pferdes nicht gibt und auch nicht geben wird.
Ein Pferd auszubilden und es bis in ein hohes Alter gesund zu erhalten bedeutet, ein strukturiertes und fundiertes System zu durchlaufen wie es nur unsere überlieferten Grundsätze der Ausbildung bieten. Es bedeutet auch, sich ständig zu reflektieren und an sich zu arbeiten.
Die Losgelassenheit steht mit am Anfang und auch am Ende eines täglichen Reitens und der gesamten Ausbildung des Pferdes. Sie ist die Grundlage für Durchlässigkeit und sie ist das Ergebnis einer korrekten Weges und eines innerlich wie äußerlich entspannten Pferdes.
Es ist schwer bei dem massiven Einfluss der Medien, der vielen Informationen durch das Internet und der rhetorisch genial gemachten Selbstproduktionen Einzelner für sich selbst überhaupt noch einschätzen zu können, was richtig oder was falsch ist.
Jeder sucht nach dem korrekten Weg, nach der Lösung für sein Problem und jeder will es für sich und sein Pferd richtig machen.
- Was tut man in dem Wust an Informationen am besten?
- Wem soll man in der heutigen Zeit folgen?
- Welchen Worten glauben?
- Neue Reitlehren suchen und ausprobieren?
- Oder vielleicht besser zurückkehren zum dem Alten, dem Bewährten, einfach um es zu bewahren?
- Diesem komplexen gesammelten Wissen, das über Jahrhunderte entstanden ist und sich immer als richtig erwiesen hat?!
Die körperlichen Funktionen des Pferdes haben sich bei allen Veränderungen in der Zucht, im Sport, in der Reiterei nicht verändert. Sie werden es auch nicht!
Auch wird sich das Pferd an sich nicht mehr verändern. Es wird immer auf gleiche Weise „funktionieren“. Man muss alledem heute nur noch mehr Aufmerksamkeit schenken. Wir müssen noch sorgfältiger Reiten (lernen), um unsere so sensiblen Pferde gesund zu erhalten – seelisch und körperlich.
Immer mehr namhafte und leider auch wegweisende Persönlichkeiten aus dem Spitzensport outen sich mit Aussagen, die nicht nur der Losgelassenheit entgegen stehen. Sie sind in meinen Augen teilweise schon tierschutzrechtlich relevant.
Man kann überall in den Medien verfolgen, dass zum Beispiel die Skala der Ausbildung nicht so eingehalten werden soll, wie sie einmal formuliert und strukturiert wurde, damit der Reiter nicht wie ein Denkmal reitet. Dass man dann dazu das Fußballspielen als Beispiel anführt, was heute auch anders aussieht als vor 20 Jahre, ist ein mehr als schlechter Vergleich. Fußball als Erklärung zu verwenden, um zu argumentieren, dass der Reitsport aufwendiger und spektakulärer werden muss, um dem Zuschauer etwas zu bieten, sind Hinweise darauf, dass Menschen, die sich so äußern, nicht verstanden haben, um was es geht und was es heißt zu fühlen. Mit einer solchen Forderung kann und wird ein Pferd nicht bis in ein hohes Alter gesund bleiben können, denn nur ein verspanntes und innerlich massiv angespanntes Pferd kann diese geforderten “spektakulären Bewegungen” erbringen. Ein losgelassenes Pferd bewegt sich elastisch und fein, jedoch niemals so spektakulär!
Ein Mensch, der solche Aussagen tätigt, wird dieses wunderbare Gefühl eines losgelassenen Pferdes, das in allen Gangarten und Lektionen den Rücken hergeben kann, nie erleben. Er wird es nie erfahren, wie es sich anfühlt, wenn sich diese geballte Kraft des lockeren Pferdes wie ein Gummiball unter dem Reiter in seiner gesamten Elastizität entwickelt und das alles ohne Druck, durch die kleinste und feinste Hilfe des Reiters erfolgt mit dem Ergebnis eines zufrieden abschnaubenden Pferdes.
Es mag pathetisch klingen, aber ich bin überzeugt, dass es die Aufgabe von uns allen ist, dafür zu sorgen, dass sie nicht untergeht – diese Losgelassenheit! Denn mit ihr stirbt die Reitkunst aus. Auch stirbt damit das Wissen der Alten Meister, die gelebt und gearbeitet haben, um Pferde durch Reiten nicht nur schöner, sondern auch gesünder zu machen!
Mit diesen Schlussworten habe ich auch den Menschen gedankt, die mir mit ihrem Wissen geholfen haben, das Buch “Die Losgelassenheit des Pferdes” zu schreiben! Danke an Marianne Fankhauser-Gossweiler, Paul Stecken und Jürgen Kemmler.
Auch durch sie und unsere vielen Gespräche lässt mich die Losgelassenheit nicht mehr los. Ich will sie jeden Tag aufs Neue mit meinen Pferden erleben!
Losgelassenheit ist faszinierend. Sie ist so einfach und doch so schwer. Sie macht nachdenklich und zugleich kritisch mit sich selbst. Sie hilft zu lernen, zu reflektieren und zu hinterfragen. Um sie bis in kleinste Detail zu verstehen, zu verinnerlichen und auch umsetzen zu können, reicht ein Leben, wie es Felix Bürkner so treffend formulierte, vermutlich wirklich nicht aus.
Wenn man es jedoch jeden Tag aufs Neue versucht, immer ein Stückchen vorankommt, kleine Erfolge erzielen kann, dann denk ich, dann liegt das Glück der Erde auf dem Rücken unserer zufriedenen und losgelassenen Pferde….