Longenkurs – Erfahrungsbericht Teil 1 – Richtiges Longieren in der Praxis
Wie wichtig richtige Bewegung für das Pferd ist, zumindest wenn es einen Reiter tragen soll, merkt man meistens erst, wenn es fast zu spät ist.
Beginnen Pferde aus unerklärlichen Gründen zu lahmen, werden klemmig, steif und vielleicht sogar widersetzlich fangen Reiter an, nach Ursachen zu suchen.
Der Longenkurs von Babette Teschen und Tania Konnerth (www.wege-zum-pferd.de) soll anhand biomechanischen Grundsätzen den Pferden richtiges Laufen beibringen.Denn die wesentliche Basis für richtiges Reiten ist, dass die Pferde lernen, korrekt auf einem Kreis zu gehen. Eine Eigenschaft, die ihnen als Fluchttier keineswegs automatisch angeboren ist, die aber beim Reiten wesentlichen Einfluss auf die Rittigkeit und die Gesundheit des Pferdes hat.
In den nächsten Wochen werden wir den Longenkurs selbst testen. Stück für Stück wollen wir die Basis des guten Laufens erarbeiten. Allerdings wird es kein Intensiv-Training mit täglicher Anwendung sondern wird sich auf etwa zwei Einheiten pro Woche beschränken. Doch auch damit sollen schon recht schnell Verbesserungen erreichbar sein.
Also packen wir es an und informieren sukzessive über unseren Weg. Ziel ist es, dass das Pferd an der Longe wie auf Schienen läuft, selbständig eine gleichmäßige Dehnungshaltung im vorwärts-abwärts hält, den Rücken aufwölbt und mit der Hinterhand energisch unter seinen Schwerpunkt tritt. Dadurch stärkt und dehnt es die wichtigen Muskelpartien im Rücken, Hals und Bauch, die letztendlich das Fundament bilden, um einen Reiter zu tragen. Eine Zeitvorgabe haben wir uns nicht gesetzt. Aber wir gehen davon aus, dass bis zum Sommer Fortschritte sichtbar werden.
Das Team
Granat, Hannoveraner Wallach, 1,80 m Stm., 19 Jahre alt:
Der Wallach hat wahnsinnig viel Energie, die er längst nicht immer in schonende und gesunderhaltender Bewegung einsetzt. Ein Grund, warum er 2006 vom Vorbesitzer verkauft wurde. Seine letzte Chance war die damalige Reitbeteiligung (ich), die ihn übernahm. Die ersten ‚traditionellen’ Longeneinheiten waren eine reine Katastrophe, denn das Pferd lag mehr in der Kurve, als das es stand. Entsprechend hing der Longenführer am Ende der Longe teilweise recht hilflos in den Seilen. Über Jahre hinweg konnte in das Pferd Ruhe gebracht werden. Mittlerweile benimmt er sich an der Doppellonge und an der einfachen Longe vorbildlich. Sicherlich eine gute Basis, einen Schritt weiter zu gehen.
Seine Besitzerin, Miriam, 35 Jahre, Freizeitreiterin, 1,64 m
Als Ponyreiter begonnen war und bin ich Freizeitreiterin. Granat hat mir in den vergangenen Jahren sehr viel beigebracht und gemeinsam haben wir viel gelernt. Auf meine Erfolge, insbesondere an der Doppellonge (alles ‚Learning by doing’), bin ich stolz. Als ich aber Anfang des Jahres zum ersten Mal ein Pferd live gesehen habe, was wie im Longenkurs gezeigt lief, stand das Ziel fest: das will ich auch! Also 39 Euro investiert, Longenkurs bestellt und ran an die Arbeit.
Die Ausrüstung
Babette Teschen empfiehlt in ihrem Longenkurs einen stabilen Kappzaum der schweren Sorte. Bis dato hatte ich noch nie mit einem Kappzaum gearbeitet und fand diese Dinger auch immer schrecklich.
Schwer und mächtig liegen sie auf der Nase und sollen dennoch gut sein? Nun gut. Wenn man A sagt muss man auch B sagen. Und damit fing die Suche nach einem geeigneten Kappzaum an.
Die ersten, die ich probierte (ebay, Freunde, Reiterfachgeschäft) hatten alle eins gemeinsam: Durch das Gelenk in der Mitte des Naseneisens wirkten die Dinger auf der schmalen Nase von Granat wie ein Nussknacker. Sicherlich könnte man einen extra angefertigten Kappzaum kaufen, aber bei einer zusätzlichen Investition von knapp 200 Euro hörte für mich der Spaß auf.
Letztendlich habe ich nach etwa drei Wochen einen passenden Kappzaum gefunden. Einen Solibel Professional von Busse, der ein ungebrochenes Nasenteil hat.
Das passt sich prima Granats schmaler Nase an, die Backenriemen sind für seinen großen Kopf lang genug und durch Ganaschen- und Nasenriemen hält der Kappzaum seine Position.
Für alles weitere greife ich auf vorhandene Objekte zurück. Longe, Strick, Gerte, Longierpeitsche und Dual-Gassen gehören ja bereits zu meinem Equipment.
Führen in Stellung – die ersten Schritte
Beim Lesen des Longenkurses kamen mir viele Dinge sehr einfach vor. Schließlich sind wir mittlerweile recht gut in unserer Longenarbeit und Führen lässt sich der Große ja prima. Doch dann kam das große Erwachen bei der ersten Trainingseinheit.
Beim Führen in Stellung soll man auf Kopfhöhe des Pferdes gehen und durch leichtes zupfen am Kappzaum eine Innenstellung fordern. Dabei soll das Pferd aber auf der vom Menschen geforderten Linie bleiben, nicht nach innen drängeln und auch nicht mit der Hinterhand raus drehen.
Man glaubt gar nicht, wie schwierig das ist. Zum einen ist Granat der Kappzaum nicht unbedingt genehm. Reißt er den Kopf hoch, sehe ich im wahrsten Sinne des Wortes ziemlich klein aus. Auch seinen Vorwärtsdrang darf man nicht unterschätzen. Somit kommt man leicht in die Versuchung, mit der Longe nach hinten zu ziehen. Hinzu kommt, dass er durchaus nach innen drängelt. Allerdings auf eine recht unterschwellige Weise. Man merkt fast gar nicht, wie er einen von der eigentlichen Laufrichtung wegbringt.
Fazit nach zwei Einheiten:
Ich werde die nächsten Male eine Gasse oder Stange hinlegen, um für das Pferd eine innere Begrenzung zu haben und gleichzeitig für mich eine optische Anlehnung. Insgesamt war ich aber schon sehr zufrieden, denn er bietet den tiefen Hals und die Stellung relativ schnell an und bleibt auch überwiegend tief. Statt einer Longe (zu lang) oder einem Strick (zu dick) habe ich meinen Zügel in den Kappzaum geschnallt. Damit habe ich eine gute Einwirkung, es bamselt nicht zu viel an der Nase rum und ich muss mich nicht auch noch auf das Longenende konzentrieren.
Führen in Stellung – Innere Begrenzung hilft
Das ‚Führen in Stellung’ funktioniert wesentlich besser, wenn Pferd und Mensch sich optisch an etwas orientieren können. Dazu habe ich im ersten Versuch Dual-Aktiverungs-Gassen in einem Sechseck verlegt. Das ging schon ganz gut, aber die ungleich spitzen Ecken führten sowohl bei Granat als auch bei mir manches mal zum Stolpern. Dadurch sind wir immer mal wieder aus dem Rhythmus gekommen. Aber insgesamt hat es schon sehr geholfen, denn mit der inneren Begrenzung hat man eine genaue Linie, die man einhalten muss. Hier kann das Pferd einen nicht seicht nach innen schieben oder nach außen ziehen. Das würde man doch sehr schnell merken.
Beim zweiten Mal ging es noch mal besser. Da habe ich mit Stangen ein Viereck gelegt. Obwohl wir jetzt um einen 90°-Winkel herum mussten, klappte das Führen flüssiger als zuvor im Sechseck. Wahrscheinlich, weil wir beide uns auf diese Ecken einstellen konnten und so außen und innen rum einen mehr oder weniger gleichmäßigen Kreis beschrieben haben.
Fazit nach vier Einheiten:
Es liegt noch ein langer Weg vor uns. Das Führen in Stellung werden wir in erster Linie mit innerer Begrenzung üben. So lange, bis sich das Bewegungsmuster einigermaßen fest gesetzt hat. Dann sehen wir weiter.
Führen in Stellung vor dem Reiten
Wie das so ist, wenn man auch mal reiten möchte und vielleicht nicht jeden Tag in den Stall kann, so muss man kreativ werden. Daher habe ich einfach vorm Reiten eine Viertelstunde das Führen in Stellung geübt. Der Kappzaum lässt sich ja fix gegen die Trense tauschen. Und der Sattel kann ruhig schon bei der Führarbeit drauf sein. Da ich ohne innere Begrenzung gearbeitet habe, waren meine Wege nicht so präzise. Ich habe aber immer mal versucht an der Bande entlang zu führen und die Ecken mitzunehmen. In jedem Fall hatte ich nach dieser Aufwärmphase ein entspanntes und lockeres Pferd im Sattel. Daher lässt sich ein bisschen Arbeit mit dem Longenkurs sehr gut mit dem Reiten kombinieren.
—Alle Angaben ohne Gewähr—