Longenkurs – Erfahrungsbericht Teil 2 – oder: das Problem mit der eigenen Koordination
Wirkten doch die ersten Schritte des Longenkurses so einfach, musste ich in den vergangenen Wochen doch das Gegenteil feststellen.
Denn das korrekte Longieren erfordert ein Umdenken und auch eine Veränderung der eigenen Koordination.
So soll man seinen Körper beim Führen in Stellung – und auch später beim Longieren – in die Bewegungsrichtung ausrichten. Gut ist es dabei sein Gewicht auf das innere Bein zu verlagern. Nur so hält man ohne Hilfsmittel einen einigermaßen stimmigen Kreisbogen.
Trotz der Ausrichtung nach vorn soll man aber dicht am Kappzaum anfassen, um so die Genickstellung beeinflussen zu können. Auch die Massage eines Stresspunktes kurz hinterm Genick steht eigentlich der Ausrichtung nach vorn im Wege.
Das Pferd lässt den Kopf nicht fallen und geht etwas gegen.
Der Führer wirkt hier rückwärts ein. Der Mensch müsste weiter vorne auf Höhe des Kopfes gehen. Das Pferd hat eine gute Haltung, ist schön gestellt und verwirft sich nicht im Genick. Allerdings müsste der Mensch noch etwas weiter vorne sein, um nicht versehentlich rückwärts einzuwirken.Hinzu kommt, dass man seine mühevoll erarbeitete Position in der Mitte der Bahn, mit eigener Front Richtung Pferd, Longe und Peitsche als umrahmendes Dreieck, bei dieser Methode aufgeben muss. Ein Lernprozess, der durchaus länger dauern kann. So ertappe ich mich immer wieder, dass ich statt auf Höhe des Kopfes zu gehen zurück falle. Insbesondere, wenn das Pferd schneller will als ich es vorgebe.
Ein weiterer Punkt ist die Hand, in der man die Longe führt. Bisher habe ich gewechselt, je nachdem, auf welcher Hand ich longiere. Hier habe ich nun den Hinweis bekommen, dass ich als Rechtshänder auch in der rechten Hand mehr Gefühl habe. Will ich also unterschiede spüren, zum Beispiel wie stark das Pferd nach außen driftet, ist es sinnvoll, die Longe immer in der rechten Hand zu führen. Allerdings stoße ich an meine Grenzen, wenn ich Longe und Peitsche in einer Hand führen soll. Aber Übung macht ja bekanntlich den Meister.
Hier kann man gut den Unterschied in der Schiefe sehen. Während auf dem Bild rechts die Schultern des Pferdes nicht parallel sind und es rechts noch leicht ‘runter hängt’, ist es auf dem Bild links im Brustbereich gerader und nähert sich einem Bild eines Zuges auf Schienen (ohne Neigetechnik…) an.Auch beim so genannten ‚Anschraten’ ist Umdenken angesagt. Mit diesem Begriff ist das langsame Antraben in Stellung an der Hand gemeint. Also quasi eine Mischung zwischen Schritt und Trab. Mein Pferd lässt sich prima im Trab führen. Aber er ist es gewohnt, dass ich dann auch nebenher trabe. Fange ich nun aber an zu joggen, hebelt er sich meist raus, tritt zu schnell an und die Stellung und der tiefe Hals gehen verloren. Nach einigen Versuchen und möglichst viel Geduld meinerseits haben wir nun aber schöne Schrat-Stücke geschafft.
Wie man sieht gibt es sehr viele Dinge zu beachten. Es ist fast so, als würde man das Reiten neu lernen. Hilfreich sind dabei Videos, die mir immer wieder meine Fehler zeigen.
Glücklicherweise ist Granat entspannt und konzentriert bei der Sache. So verzeiht er mir meine Koordinationsschwierigkeiten und wir erzielen doch immer wieder gute Ergebnisse.
Allerdings habe ich auch festgestellt, dass man sich doch mehr Zeit mit der Basisarbeit lassen sollte. Ich habe nach ersten schnellen Erfolgen beim Führen mit innerer Bande schnell zu viel verlangt. Mehr Trab und erste Arbeit aus der Distanz. Das hat allerdings nicht wirklich funktioniert. Stellenweise wurde es ein Geziehe meinerseits und das Pferd lief auch nicht entspannt. Also ‚back to the roots’ und doch noch mal mehr Zeit in das Führen in Stellung investieren.
Auch die innere Begrenzung habe ich nun schon öfter weggelassen. Denn diese ist auf Dauer ein Krückstock. Wenn man ein Pferd hat, was massiv nach innen drängelt, hilft die Begrenzung sicher. Ansonsten beschummelt man sich aber selbst, da man sich nicht auf seinen eigenen Weg konzentrieren muss, sondern sich nur an den Stangen langhangelt. Ist man konzentriert beim Führen ohne jegliche Begrenzung, dann kann man auch seine Richtung einhalten und das Pferd entsprechend verschieben. Ohne Begrenzung schult man Pferd und Mensch.
In den nächsten Wochen werde ich das Führen in Stellung und das Anschraten weiter verfeinern. Dann werde ich zum Übertreten übergehen. Wenn diese Übungen funktionieren und Granat gleichmäßig und entspannt läuft, werde ich die Distanz einbauen. Und irgendwann läuft er dann an der Longe so schön, wie die Pferde, die ich live gesehen habe. Sicherlich ist es ein weiter Weg, aber einer, der sich lohnt. Über Leser, die mich dabei begleiten, freue ich mich besonders.
—Alle Angaben ohne Gewähr—