Auf, auf zum fröhlichen Jagen!
Jagdreiten ist eine Tradition in Deutschland, die häufig hinter anderen reitsportlichen Veranstaltungen und Reitstilen verschwindet.
Doch Vorsicht: Wer einmal mit seinem Pferd eine Jagd mitreitet, wird schnell von dem besonderen Virus infiziert. Die Schleppjagden, auch Parforcejagden genannt, halten eine Jahrhunderte alte Tradition aufrecht. Der Ritt hinter der Hundemeute ist ein besonderes Erlebnis. Man beobachtet die Tiere bei der Aufnahme der Fährte. Man geht mit seinem Pferd eine vertrauensvolle Bindung ein, um auf langen Galoppaden und über festen Sprüngen ein gutes Team zu sein. Konkurrenzdenken, wie auf Turnierplätzen, findet man in der Jagdreiterei nicht. Bei diesem Sport geht es um die Arbeit der Hunde, das sichere Ankommen eines jeden Reiters und das Erleben von Tradition.
Das Jagdreiten – eine Tradition in Deutschland
Die Parforcejagd …
… ist ursprünglich eine Art Hetzjagd. Bereits bei den Kelten war die Form des Jagens zu Pferde mit Hunden, die das Wild hetzten, aber nicht rissen, bekannt. Im 17. und 18. Jahrhundert erfreute sich diese Art des Jagens vornehmlich an europäischen Fürstenhäusern großer Beliebtheit. Die größte Tradition hat die Parforcejagd in Frankreich, wo vor allem Hirsche auf diese Weise gejagt wurden. Deutsche Höfe übernahmen einige Zeit später diese französische Tradition. So entwickelte sich auch in Deutschland die Jagd zu Pferd. Ab Anfang des 18. Jahrhunderts existierten bereits zwölf Parforcemeuten an deutschen Höfen. Über 20 Meuten sind heute noch deutschlandweit für die Jagdreiterei aktiv.
In Deutschland wurde 1934 ein generelles Verbot der Hetzjagd hinter lebendem Wild ausgesprochen. Seitdem werden nur noch Schleppjagden durchgeführt. Hierbei wird von Schleppenlegern eine künstliche Fährte für die Hunde gelegt.
Heute werden Schleppjagden von Reitvereinen, Meuten oder Privatpersonen angeboten. Vielerorts gibt es Jagdfolgen oder Jagdwochen, in denen dann gleich mehrer Jagden unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade durchgeführt werden. Durch das Legen einer Schleppe kann man im Vorfeld der Jagd die Streckenführung genau bestimmen. Entsprechend werden Hindernisse gebaut und Pausen eingeplant. Dies ist ein großer Vorteil zur Jagd hinter freiem Wild. Denn früher waren Jagden doch eher halsbrecherische Unterfangen.
Doch auch wenn die Jagdstrecken als solche heute vom Jagdherren gemeinsam mit den Hundeführern gut geplant werden, sollten Reiter diesen Sport nicht unterschätzen. Sowohl für das Pferd als auch für den Reiter stellen die langen Galoppstrecken, die je Schleppe auch bis über 3 Kilometer führen können, eine hohe Anforderung an die Kondition. Auch die landschaftlichen Gegebenheiten sollte man vor der Auswahl einer Jagd genau beachten. In bergigem Gelände ermüden nicht genügend trainierte Pferde schnell. Die Sprünge sind kräftezehrend. Ein müdes Pferd auf einer Schleppe wird zur Gefahr für alle Reiter im Feld. Wichtig ist auch das Training, in einer Gruppe zu reiten. Während eines ‚Runs’, also des eigentlichen Jagdabschnittes, gilt konzentriertes ‚Strichreiten’. Jeder Reiter bleibt auf einer geraden Linie an seiner Position im Feld. Sprünge werden zügig angeritten, um einen flüssigen Rhythmus zu gewähren und keine anderen Reiter zu behindern. Ein Jagdreiter muss sein Pferd jederzeit auch im hohen Tempo beherrschen. Gerade für unerfahrene Pferde ist der Ritt in einem Feld von zehn oder 20 Reitern sehr aufregend. Da kann schnell auch mal ein sonst rittiges Pferd zum Raser werden.
Gerade für junge Pferde oder angehende Jagdreiter eignen sich Jagdreiterlehrgänge oder jagdliche Ausritte besonders. Beim Jagdreiterlehrgang wird sowohl Theorie als auch Praxis vermittelt. Man erfährt die wichtigsten ‚Benimmregeln’ und übt das Reiten in der Gruppe, sowohl im freien Feld als auch am Sprung. Bei den jagdlichen Ausritten mit oder ohne Hundemeute werden in der Regel keine Sprünge aufgestellt. Hier kann man das Reiten in einer Gruppe üben. Meist führen diese Ritte über weite Wiesen, die Reitern von stürmischen Pferden viel Platz für Ausweichmanöver bieten.
Der Ablauf einer Schleppjagd
Mit der Einladung wird auch der Ort und die Zeit des ‚Stelldicheins’ genannt. Zum genannten Zeitpunkt sammeln sich die Reiter in einem Halbkreis und erwarten die Meute. Entsprechend sollte man frühzeitig vor diesem Termin am Ort des Geschehens sein, um sein Pferd in Ruhe vorzubereiten und sich beim Jagdherren für die Einladung zu bedanken. Meist wird auch ein Capgeld erhoben, eine Art Jagdbeitrag. Jugendliche reiten in der Regel frei mit, man will ja den Nachwuchs fördern. Mit bestimmten Jagdsignalen der Parforcehornbläser wird die Meute begrüßt. Dies ist sowohl für Pferd als auch für Reiter ein elektrisierender Moment, geht es doch nun bald los.
Zur Begrüßung der Meute ziehen die männlichen Jagdreiter ihre Kappe. Nun begrüßt der Jagdherr die Gesellschaft und informiert über die Strecke, die Anzahl der Schleppen und mögliche Stopps. Zudem werden ggf. unterschiedliche Felder aufgeteilt. Meist gibt es eine Gruppe, die nicht springen will. Diese bildet dann ein eigenes Feld.
Der Schleppenleger ist an seinen Kanistern am Sattel zu erkennen. Dieser reitet einige Minuten früher mit einem ortskundigen Reiter los und legt die Fährte. Die Tropfkanister werden mit einer Mischung aus Wasser und einigen Tropfen Fuchslosung, Anis, Heringslake oder ähnliches gefüllt. Je nach Meute ist die Mischung unterschiedlich. Die Hunde sind auf einen bestimmten Geruch konditioniert. Ist der Schleppenleger entsprechend weit genug voraus, führt der Master die Meute zum Anfang der Fährte. Wenn die Hunde die Fährte aufnehmen und mit lautem Gebell von dannen ziehen, ruft man sich ein ‚Gute Jagd’ zu und los geht es.
Das Tempo der Jagd wird ausschließlich von der jagenden Meute bestimmt. Grundsätzlich muss jeder auch auf die Hunde achten. Sollte sich mal einer im Feld verirren, so sollten folgende Reiter mit einem Ruf „Hund im Feld“ auf diese Situation aufmerksam gemacht werden. Hat man ein sicheres Jagdpferd unter dem Sattel, kann man das Spektakel genießen und die Hunde bei ihrer Arbeit beobachten.
Nach jeder Schleppe werden die Hunde wieder zusammengerufen und begleitet von den Pikören führen sie die Gesellschaft an. Meist liegen zwischen den einzelnen Schleppen Schrittpassagen, die den Tieren zur Erholung und den Reitern zum Austausch dienen. Je nach Witterung und Streckenführung werden ein oder zwei Stopps eingeplant. Hier gibt es Wasser für Hunde und Pferde. Die Reiter werden von den Begleitern des Jagdherrn mit Kaffe, Kuchen oder etwas Hochprozentigem gestärkt.
Am Ende der letzten Schleppe ziehen die Reiter noch im Galopp den rechten Handschuh aus und rufen „Halali Halali“, zurückzuführen auf den französischen Ruf „Da liegt er“. Sobald das Jagdfeld in Sichtweite des Halali-Platzes kommt, ertönen bereits die Hornsignale. Nach der Jagd werden die Hunde zusammen gerufen und die Reiter schütteln sich vom Pferd aus die Hand, ebenfalls mit dem Halali-Gruß. Zur Zeremonie der „Curée“ wird abgesessen. Bei diesem Jägerrecht der Hunde wird der Meute als ihr Anteil der Beute ein Rinderpansen vorgelegt. Die Jagdgesellschaft stellt sich wiederum im Halbkreis um die Meute und zollt ihr so Respekt und Dank für ihre Arbeit. Anschließend bittet der Jagdherr zu den Brüchen. Traditionell geht jeder Reiter zum Jagdherren, bedankt sich mit einem „Waidmanns Dank“ und erhält den so genannten Bruch. Es ist ein Eichenzweig, ab dem 3. November auch ein Fichtenzweig, den man sich ans Revers stecken kann. Aber hier gilt auch Vorsicht. Denn die Pferde wissen so eine Leckerei durchaus zu schätzen.
Nach diesem Zeremoniell kommt das gemütliche Schüsseltreiben, der gesellige Teil der Veranstaltung. Dies kann ein Imbiss auf dem Halali-Platz sein, ein gemütlicher Abend in der Scheune oder in einem Landgasthof, ganz nach Belieben des Jagdherren. Wichtig ist natürlich vorher die Versorgung der Pferde und der Hunde. Jagdreiterneulinge müssen mit einer Jagdreitertaufe rechnen. Sie bekommen ein oder zwei erfahrene Jagdreiter als ihre Paten zur Seite gestellt und werden, nach entsprechender feierlicher Aufnahme in den Jagdreiterkreis, mit Sekt übergossen.
Kleiderordnung
Zur Tradition der Jagdreiterei, schließlich entstanden in Fürstenhäusern, gehört auch eine bestimmte Kleiderordnung. Schwarze Stiefel, eine helle Hose, ein Plastron, weiße Handschuhe und ein roter, schwarzer oder grüner Rock sollten Pflicht sein. Der rote Rock ist allerdings nur erfahrenen männlichen Jagdreitern vorbehalten. Man sagt, dass man diesen erst nach rund 20 Jagden tragen darf. Entsprechend kennzeichnen leicht verschlissene rote Röcke die erfahrensten Reiter des Feldes. Damen hingegen können auch einen blauen Rock tragen. Eine sturzfeste Kappe sollte allein aus Sicherheitsgründen für jeden Reiter Pflicht sein. Die traditionelle Jagdbekleidung erlaubt aber auch eine Melone. Was für den Reiter gilt, gilt natürlich auch für das Pferd. So sollte das Sattelzeug in einem ordentlichen geputzten Zustand sein.
Lässt man sich auf die Tradition und das Brauchtum der Jagdreiter ein, wird man schnell Mitglied einer guten Gemeinschaft. Erfahrene Jagdreiter nehmen Neulinge gern an ihre Seite und führen sie durch die Jagd. Das gesellige Beisammensein hinterher führt zu einem fröhlichen Erfahrungsaustausch zwischen jung und alt, gestandenen Jagdreitern und Neulingen, Professoren und Auszubildenden. Die Jagdreiterei ist längst nicht mehr so elitär, wie sie einst war. Jagdreiten erfordert keine Sieger. Jagdreiten will Reiterherzen froh und glücklich machen und vor allem alle Pferde und Reiter gesund in den Stall zurückbringen.
Kleines Jagdreiter-Wörterbuch:
- Stelldichein: Sammelplatz der Jagdteilnehmer
- Capgeld: Jagdbeitrag
- Jagdherr: Veranstalter, Gastgeber
- Feld: Bezeichnung der verschiedenen Gruppen bei einer Jagd (z.B. springendes oder nicht-springendes Feld)
- Meute: Hunde, die die Jagd führen
- Master: Anführer eines Jagdfeldes bei der Jagd zu Pferde (Achtung: Darf nicht überholt werden – wenn doch kostet es eine Runde an die gesamte Gesellschaft!)
- Pikör: Helfer des Masters, die zu der Meute gehören. Die Piköre halten die Meute beim Stelldichein, vor den Schleppen und an Stopps zusammen. Sie begleiten die Hunde während der Jagd und achten darauf, dass sie auf der Fährte bleiben.
- Schleppe: Tropfspur, auf der die Meute läuft. Ersatz für die eigentliche Fährte des Wildes. Als Schleppe oder Run werden auch die einzelnen Jagdabschnitte bezeichnet.
- Scent: Ausdünstung, die die Hunde wahrnehmen
- Halali: Ende der Jagd, Früher Stellen und Erlegen des Wildes
- Curée (die): Beuteanteil der Hunde nach der Jagd. Heute wird in der Regel Rinderpansen den Hunden gegeben. Erst mit einem entsprechenden Jagdhornsignal dürfen die Hunde an die Beute.
- Bruch: Kleiner Eichen- oder Tannenzweig (Tanne erst ab 3. November) als Zeichen, dass der Reiter die Jagd bis zum Ende mitgeritten ist.
- Schüsseltreiben: Geselliges Beisammensein im Anschluss an die Jagd.
- Bügeltrunk: Alte Sitte, einen Reiter mit einem Trunk im Sattel zu belohnen.
Wer mit seinem Pferd einmal einen Jagdreiterurlaub unternehmen möchte oder einfach nur eine Möglichkeit für Geländetraining sucht, der findet auf www.reiten-weltweit.de einige Höfe mit entsprechenden Anlagen.
Das Landhotel Mehrin in der Altmark verfügt zum Beispiel über eine Strecke mit über 50 fairen Hindernissen.
Zudem wird hier jedes Jahr eine Jagdwoche angeboten.
Surftipps:
—Alle Angaben ohne Gewähr—
Guten Tag,
Ich wurde von einem Bekannten gefragt, wie früher für eine Schleppjagd die Schleppe gelegt wurde.
Ich meine mich zu erinnern, dass ein Reiter einen durchlöcherten Behälter hinter seinem Pferd herzog der mit stark riechenden Material gefüllt war und so eine Duftspur legte.
Stimmt das so? und gibt es darüber vielleicht irgendwo Fotos oder bildliche Darstellungen (Zeichnungen usw.) Könnten Sie mir dann ggf. die Bildquelle nennen?
Mit freundlichen Grüßen
Wilfried Aldag