Dual-Aktivierung: mit blau-gelb zu mehr Gelassenheit
Gerade Besitzer und Reiter von schreckhaften Pferden sollten sich einmal mit der Dual-Aktivierung, der Trainingsmethode von Michael Geitner aus Rechtmehringen, genauer befassen.
Denn “zu bunt” kann es einem bei den Übungen eigentlich gar nicht werden.
Die Farben Blau und Gelb bestimmen das Bild in der Halle oder auf dem Reitplatz.
In den letzten Jahren hat Michael Geitner seine Methode entwickelt und bei vielen Kursen vermittelt.
Die Dual-Aktivierung ist eine Art Gehirnjogging für Pferde. Die Methode basiert auf dem Wissen, dass Pferde visuelle Reize anders speichern, als es zum Beispiel Menschen tun. Nimmt ein Pferd etwas mit dem rechten Auge wahr, wird dies in der linken Gehirnhälfte gespeichert und umgekehrt. Allerdings erfolgt ein Austausch der Gehirnhälften nur zu 15 bis 20%. Daher scheuen viele Pferde, wenn sie einen Gegenstand von einer Seite gesehen haben, wenn sie auf der anderen Hand daran vorbei gehen müssen. Zudem wurde festgestellt, dass die Pferde insbesondere die Kontraste von blau und gelb besonders stark wahrnehmen. Fakten, die sich Michael Geitner zu nutze macht.
Die Methode, mit Reizen von beiden Seiten zu arbeiten, ist nicht neu. Die Dual-Aktiverung berücksichtigt aber viele neue Erkenntnisse der Forschung rund ums Pferd.
Doch nun zur Praxis
Für die verschiedenen Übungen ist es sinnvoll, die so genannten Dual-Gassen zu nutzen. Es sind mit Schaumstoff gefüllte Schläuche, die beim drauftreten keine Verletzungsgefahr darstellen. Um zu testen, ob diese Methode Reiter und Pferd überhaupt liegt, kann man aber durchaus auch mit Springstangen beginnen.
Basis des Ganzen ist der wechselseitige visuelle Reiz beim Pferd. Dadurch wird die Gehirnaktivität angeregt und es kommt zu einem verstärkten Austausch zwischen den Gehirnhälften. Das Pferd kann mit Reizen besser umgehen, kann sich besser koordinieren und ausbalancieren, wird gelassener und kann Fluchtentscheidungen schneller wieder zurück nehmen. Die Bewegung wird flüssiger und ausdrucksvoller.
Den Start in diese Methode bildet das Fahnentraining. Beim Führen hat man eine Gerte oder einen Stock mit einer Türe dran, vorzugsweise blau oder gelb, dabei. Ja nach Reaktion des Pferdes nimmt man die Fahne nur mit oder hält sie unter dem Hals durch auf die andere Seite. Doch Vorsicht: Manche Pferde können recht heftig reagieren. Daher sollte im Vorfeld die Ra
ngordnung geklärt sein und das Führen von beiden Seiten in Schritt und Trab mit Tempovariation funktionieren.
Der nächste Schritt ist die Longierarbeit. Hier können mit den Schaumstoffgassen verschiedene Übungen gelegt werden. Fortgeschrittenen ist bei der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Ergänzend werden auch Pylonen eingesetzt, so dass sich schnell ein bunter Parcours entwickeln kann. Zu Beginn sollte man nur durch eine Basisgasse longieren. Stück für Stück kann man die Ansprüche und das Tempo steigern. Oder aber auch den Abstand der Gassen verkleinern und damit den Schwierigkeitsgrad erhöhen.
Funktionieren die Longierübungen kann man die Dual-Aktivierung auch reiten. Entweder bewusst als Trainingseinheit oder als zusätzliche Aufgabe in Kombination mit einer ‚normalen’ Reiteinheit. Wichtig ist dabei, dass man das Pferd in den Gassen machen lässt. Es soll selber denken und ohne Störung durch den Reiter durch die Aufgabe finden. Außerhalb der Gassen wird dann wieder mit aktiven Reiterhilfen gearbeitet und auf Stellung und Biegung geachtet.
Auch beim Reiten kann man Stück für Stück die Anforderungen erhöhen. Zwischen den Hindernissen kann man auch Seitengänge einbinden und somit die Arbeit mit dem Pferd abwechslungsreich gestalten.
Wichtige Grundlagen
Grundsätzlich wird bei der Dual-Aktivierung auf jegliche Hilfszügel verzichtet. Martingal, Ausbinder, Wiener Zügel und Co haben in diesen Übungen nichts verloren. Denn das Pferd soll sich selbst ausbalancieren, sein eigenes Gleichgewicht finden und darf daher nicht durch Hilfszügel behindert werden.
Auch auf den Sperrriemen sollte man verzichten. Die Pferde sollen in der Dual-Aktivierung die Hinterhand aktiv einsetzen. Da die Nervenenden sich aber im Maul befinden, verhindert ein Sperrriemen die Aktivität in der Hinterhand.
Wichtig ist auch die Zeiteinteilung, damit man sein Pferd nicht überfordert. Michael Geitner spricht in der Regel von 10 – 10 – 5. Das bedeutet zweimal 10 Minuten konzentriertes Arbeiten und zum Schluss noch mal 5 Minuten alles geben. Dazwischen werden Pausen eingelegt, damit das Pferd die gerade erlebten Reize und Übungen verarbeiten kann. Man kann entweder am hingegebenen Zügel ein paar Runden reiten oder aber einfach nur stehen. Wichtig ist die Ruhe, die man dem Pferd gibt.
Gerade in der Anfangshase können 10 Minuten allerdings schon zu lang sein. Hier muss man auf sein Pferd achten und die jeweiligen Einheiten ggf. schon früher beenden. Für jemandem mit einem Power-Pferd, was sonst erst nach einer Stunde warm wird, klingt dies eher albern. Doch die Arbeit in den Gassen erfordert hohe Konzentration bei Pferd und Reiter. Kann sich einer von beiden nicht mehr konzentrieren, ist das Training nicht mehr effektiv und eher kontraproduktiv. Beim Pferd gibt es einige eindeutige Anzeichen, wann es Zeit ist, aufzuhören:
Das Pferd beginnt in einer vorher flüssig gelaufenen Aufgabe stark zu stolpern, es hält den Kopf schräg oder schnaubt mehrmals kurz hintereinander ohne den Kopf zu senken. Auch ein verstärktes Schlecken und Kauen kann ein Anzeichen sein.
Bei der Ausrüstung des Pferdes sollte man auch Gamaschen verwenden. Die Pferde lernen ihre Beine neu einzusetzen und so kann man diese entsprechend schützen. Beim Menschen sind beim Longieren oder Führen Handschuhe Pflicht. Bei heftigen Reaktionen des Pferdes hat man so einen besseren Griff und kein Verletzungsrisiko.
In eigener Sache
Dieser Artikel soll nur einen kleinen Einblick in die Trainingsmethode von Michael Geitner geben. Eine genaue Anleitung und grundlegendes Wissen kann man nicht in einem Infoartikel erfassen. Deshalb sollte man, wenn man sich stärker für diese Methode interessiert, sich das Buch Dual-Aktivierung von Michael Geitner zulegen. Auf seiner Homepage www.pferde-ausbildung.de gibt es auch einen kleinen Trainingsplan für den Anfang. Oder man bucht einen Kurs bei ihm direkt oder einem seiner lizenzierten Trainer.
Ich selbst habe mir die Methode nach dem Motto ‚Learning-by-doing’ angeeignet. Mit den Büchern bewaffnet und im Forum gut beraten habe ich das Training begonnen und später auch einen Kurs bei Michael Geitner besucht. Mein Pferd, damals noch meine Reitbeteiligung, war ein großer Angsthase, zudem mit sehr viel Energie versorgt und ständig auf der Flucht. Konzentriertes Arbeiten kannte er nicht. Die Fahne löste Panik aus und die ersten Male konnte ich ihn nicht einmal an die Gassen heran führen. Zudem war er sehr schwerfuttrig und schlecht bemuskelt. Die Dual-Aktivierung hat uns die Grundlage verschafft, konzentriert arbeiten zu können. Der Fluchtdrang ist nur noch minimal ausgeprägt, selten bringt ihn etwas aus der Ruhe und er konzentriert sich auf mich. Er hat schnell Muskeln entwickelt und ist mittlerweile eher verfressen. Die Dual-Aktivierung kommt bei uns aus Platz- und Zeitmangel nur noch selten zum Einsatz. Aber ohne sie wäre die jetzige Arbeit mit dem Pferd nicht möglich gewesen.
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