Criollos am Polarkreis – eine robuste Pferderasse im Norden von Schweden
Criollo – das argentinische Kreolenpferd
Einem europäischen Pferdeliebhaber würden meine beiden Kameraden – milde ausgedrückt – höchst merkwürdig erscheinen. Ihre derben Beine, die kurzen, dicken Hälse und die Ramsnasen sind vom Idealbild eines erstklassigen englischen Jagdpferdes so weit entfernt, wie der Nordpol vom Südpol. Ich habe bewiesen, dass das argentinische Kreolenpferd seinen Ruf unter den wenigen, die es kennen und schätzen, verdient…
Dr. Emilio Solanet, der mir die Pferde zur Verfügung stellte, darf mit recht stolz auf sie sein!“ Dies schreibt der Schweizer Lehrer A. F. Tschiffely.Durch Tschiffely wurden die Criollos 1925 weltweit bekannt. Er hat damals einen 10 000 Meilen Ritt quer durch Süd- und Nordamerika, vom argentinischen Buenos Aires bis nach Washington, unternommen. Zweieinhalb Jahre war er unterwegs und die damals schon 15 und 16 jährigen Criollos Mancha und Gato erregten weltweit Aufsehen.
Auch der Deutsche Günter Wamser konnte sich Ende des letzten Jahrhunderts ein Bild davon machen, wie leistungsfähig Criollos sind. Wamser ritt in 11 Jahren! vom Süden Südamerikas bis nach Mexico, an die US-amerikanische Grenze, die er dann aber, auf Grund amerikanischer Gesetzte, im Gegensatz zu Tschiffely, nicht überschreiten durfte. Wamser schreibt in seinem Buch „Der Abenteuerreiter“: „Criollos, bekannt als Arbeitspferde der berühmten Gauchos, der südamerikanischen Viehhirten, sind auf dem ganzen Kontinent verbreitet. Ich wusste, dass die Criollos Härte, Ausdauer und Genügsamkeit zu ihren Charaktereigenschaften zählen und deshalb in ihrer Heimat mit sehr harten Umweltbedingungen fertig werden. Diesen Pferden, die Kraft, Sanftmut, Schönheit und Widerstandsfähigkeit in sich vereinen, wollte ich mich anvertrauen.“
Linktipp: Reiten in Schweden – Reiturlaub Erfahrungsbericht
Inspiriert durch diese grossen Leistungen der verhältnismässig kleinen Pferde, begannen wir uns mehr für diese Rasse zu interessieren. Unsere Vollblut (mix) Stute Maymoona war im besten Alter und so beschlossen wir Ausschau nach einem geeigneten Hengst zu halten. Mitte der 90-iger Jahre war die Auswahl noch nicht so gross wie heute, aber nach längerer Suche, emails, Bilder schicken, Telefonaten war „der Richtige“ gefunden. Ein argentinischer Criollo, gute Abstammung, gutes Aussehen, halt ein Macho aus argentinischem Adel. Maymoona durfte den Frühling in der Nähe von Stuttgart mit „ihrem“ Hengst Sosegado el Regalo verbringen. Ein kleines Schwarzweissbild aus dem Ultraschall war der Beweis; Ihr Urlaub in Baden Württemberg war von Erfolg gekrönt.
Im Mai 1997 war es dann soweit. In den frühen Abendstunden kam unser Criollo zur Welt. Ok, nicht ganz, aber immerhin zu 50 % und somit ein Cruzado. Miraflores wurde das Stutfohlen getauft, was frei übersetzt soviel heisst wie „Schau: Blümchen“.
Miraflores entwickelte sich prächtig und liess sich völlig problemlos einreiten. Nach unserem Umzug nach Schleswig Holstein, hat sie auch gleich noch das Kutsche fahren gelernt und wurde so zu einem Universalpferd, das wir nicht mehr missen möchten.
Vor 5 Jahren dann der Umzug nach schwedisch Lappland, an den Polarkreis. Der billigste Pferdetransport ist der Transport im Bauch der Mutter und so liessen wir Miraflores kurz vor der Abreise von einem Araber-Pinto Hengst decken.
In Lappland angekommen, fühlten sich Maymoona und die trächtige Miraflores gleich richtig wohl. Es war Juni, die Weiden waren üppig grün und es gab noch keine Mücken. Das sollte sich aber bald ändern und so hatten wir alle Hände voll zu tun unsere Pferde davor zu schützen – aber das ist ein anderes Thema.
Der Sommer ist kurz und Einheimische haben uns erzählt, das es im August schon Frost und Ende September schon Schnee geben kann, der dann auch liegenbleibt, meistens bis Mai. Wir haben unsere Pferde beobachtet und, obwohl sie ja sonst nur milde Winter gewohnt waren, begannen sie hier schon im August damit Winterfell anzusetzen, welches immer länger und länger wurde. So, als würden sie schon ihre ganzes Leben am Polarkreis verbringen.
Zu dieser Zeit kam auch der Tierschutz. Tierschutz ist staatlich und so wurden unsere Pferde begutachtet und auch unser Offenstall. Zwei Tage später erhielten wir einen offiziellen Brief, der mit den Worten endete: „Zusammenfassend kann man sagen, das die Pferdehaltung der Familie Gaw als ausserordentlich gut anzusehen ist.“ Das hat uns natürlich gefreut.
Dann kam der Schnee und zwar in solchen Mengen, das es eigentlich nicht möglich war den Paddock schneefrei zu halten. Uns blieb nichts anderes übrig, als auf die schon vorhandenen Zaunpfähle nochmals Zaunpfähle draufzusetzen und so die Zaunhöhe zu verdoppeln.
Dann kam der Frost. Der Boden ist so abgrundtief gefroren, das wir keine Erdung mehr für den Elektrozaun hatten. Was tun? Wir haben eine zweite Litze im geringen Abstand zu der stromführenden Litze gezogen und diese über ein Kabel dann im Haus geerdet. Kam nun eines unserer Pferde dem Zaun zu nahe, hat es beide Litzen gleichzeitig berührt und das hatte den gewünschten Erfolg.
Trotzdem kam es ab und zu zu „Ausbrüchen“, aber je tiefer der Schnee wurde, umso schneller setzte der Lerneffekt ein. Wenn Pferd erst mal auf dem Bauch im Schnee liegt und die Beine immer noch keinen festen Grund spüren, dann ist ein festgetrampelter paddock eben doch die bessere Wahl. Und wenn es richtig kalt wird, dann bewegt Pferd sich am Liebsten gar nicht. Stehen, abwarten und fressen. Fressen, bis es wieder warm wird. Das wird es Ende März, April und im Mai ist auch der Schnee wieder weg.
Im Mai, der Schnee war weg, aber es tobte ein spätwinterlicher Schneesturm, wurde Ronny geboren. Obwohl nun nur noch ein 25 % Criollo, hat die Rasse doch all ihre typischen Merkmale vererbt und wir haben nun schon zwei Criollos am Polarkreis, zumindest optisch und charakterlich.
Jährliche Temperaturschwankungen von bis zu 75 Grad, tägliche von bis zu 35 Grad, Schnee, Kälte, Hitze…. macht diesen robusten Pferden nichts aus. Dazu kommt ihre Gutmütigkeit, so dass sie bei unseren täglichen Ausritten in die Wildnis von unseren Gästen geschätzt werden. Manchmal müssen wir sogar aufpassen, das ein Gast Miraflores nicht “aus Versehen” einsteckt. Gottseidank ist sie dafür zu groß 😉
Wer selbst mal testen will, wie sich so ein Criollo am Polarkreis macht, der ist auf unserer Lodge herzlich willkommen.
Hier könnt Ihr mehr erfahren: www.reiten-weltweit.de/dr00359
oder schaut mal auf unsere Homepage www.aha-lodge.com
—Alle Angaben ohne Gewähr—