Die Ängste überwinden: Scheutraining für das Pferd Teil 1
Die kalten Wintermonate schränken die Reitmöglichkeiten stark ein und teilweise ist es sehr schwer, dem Pferd Abwechslung zu bieten.
Boden- und Scheutraining ist dann genau das Richtige!
Pferde sind mehr und mehr den verschiedenen Reizen unserer Umwelt ausgesetzt. Da die Tiere von Natur aus Fluchttiere sind, reagieren sie auf unbekannte Situationen und Gegenstände mit panischem Verhalten, das sich häufig in plötzlichem Weglaufen oder Wegspringen äußert. Reiter können häufig nicht so schnell reagieren und können daher schnell einer Gefahr ausgesetzt werden.
Bodenarbeit verbindet gleich mehrere positive Elemente miteinander:
- Das Pferd lernt in neuen und unbekannten Situationen gelassen zu bleiben
- Das Vertrauen zwischen Reiter und Pferd wird gestärkt
- Bodenarbeit bietet eine willkommene Abwechslung zum teilweise langweiligen Hallenritt (vor allem in den kalten Jahreszeiten)
- Das Pferd übt sich in Disziplin, Konzentration und Geduld.
Grundsätzlich sollte man das Pferd an neue Gegenstände und Situationen durch die Bodenarbeit und nicht aus dem Sattel heraus heranführen. Dies hat diverse Vorteile. Zum einen kann der Reiter so mit seiner eigenen Körpersprache arbeiten und beruhigend auf das Pferd einwirken.
Es wird immer einen positiven Einfluss auf das Verhalten des Tieres haben, wenn der Reiter, der vor ihm steht, ruhig und gerade steht und damit eigene Sicherheit ausstrahlt.
Im besten Fall wird die Gelassenheit übertragen und das Pferd wird die gleiche Körperhaltung annehmen. Desweiteren ist Bodenarbeit zunächst auch für den Reiter sicherer, da er nicht vom Pferd fallen kann. Dennoch können Pferde beim ersten Kontakt mit neuen Situationen sehr schreckhaft reagieren, sodass man anfangs immer dafür sorgen muss, genügend Platz zu haben um blitzschnell ausweichen und zur Seite springen zu können.
Was der Reiter generell beim Scheutraining beachten muss
Scheutraining kann eine echte Geduldsprobe sein- sowohl für das Pferd, als auch für den Reiter. Das muss man sich vorher klar machen, da ein gewisser Grad an Gelassenheit für ein erfolgreiches Scheutraining absolute Voraussetzung ist.
Pferde können sich anders verhalten, als man es erwartet und man muss auch mit Rückschlägen rechnen: Übungen, die beim letzten Mal erfolgreich geklappt haben, können in der nächsten Trainingseinheit nicht mehr funktionieren. Dann ist das es besonders wichtig, dass der Reiter darauf reagiert und noch einmal mit an der Basis ansetzt. Dabei ist es sehr wichtig, dem Pferd nichts aufzwingen zu wollen. Das Tier muss selbst entscheiden, wann es bereit ist, sich auf die neue Situation einzulassen und erst dann ist ein erfolgreiches Scheutraining möglich.
Der Übungszeitraum kann sich über einen langen Zeitraum erstrecken (einige Wochen). Besonders zu Beginn einer neuen Übung muss man sich geduldig verhalten und dem Pferd muss genügend Zeit gegeben werden, alle neuen Gegenstände zu beschnuppern. Häufig reagieren Pferde trotz vorsichtigen Herantastens plötzlich sehr schreckhaft und nervös.
In diesem Fall muss der Reiter richtig reagieren: wer das Pferd lobt, wenn es wegspringt oder herum tänzelt, der gibt dem Pferd das Gefühl, dass dies das erwünschte Verhalten ist. Wenn Sie die Übung das nächste Mal wiederholen, wird sich das Pferd daran erinnern und sich erneut so verhalten.
Auch beruhigendes Einreden sollte bei nicht erwünschtem Verhalten vermieden werden, da es aufgrund der ruhigen Tonlage ebenfalls als Lob verstanden wird.
Stattdessen sollte der Reiter mit klarer und ernster Stimme reden und immer das gleiche kurze Kommando verwenden (z.B. “Steh”).
Während der gesamten Übung muss sich der Reiter bestimmt und selbstsicher verhalten. Wenn das Pferd eine Übung verweigert, muss der Reiter geduldig bleiben, aber gleichzeitig dem Tier behutsam deutlich machen, was er von ihm verlangt. Ebenso wichtig ist dann aber auch das Lob oder die Belohnung mit Leckerlis, wenn eine Übung erfolgreich war. Nur so kann auch das Vertrauen zwischen Pferd und Reiter gestärkt werden, um dadurch die Harmonie zwischen beiden zu stärken.
Flatterband und Fahne schwenken
Während eines Ausrittes können einem aus den Gärten Flatterbänder oder Fahnen entgegenwehen. Viele Pferde reagieren hierauf äußerst schreckhaft, springen zur Seite und gefährden dadurch die Sicherheit des Reiters. Für die Bodenarbeit kann aus einem rechteckigen Holzrahmen und einigen losen Bändern ein Flatterbandvorhang gebaut werden. Ziel der Übung wird es dann sein, durch diesen Vorhang hindurch laufen zu können. Zu Beginn muss dem Pferd genügend Zeit gegeben werden, sich an die bunten Bänder zu gewöhnen und sie zu beschnuppern. Diese Kennlernzeit kann sehr lange dauern, da sich die Bänder ständig und in unberechenbarer Weise bewegen. Um die Gewöhnungszeit zu beschleunigen, kann der Rahmen auch an den Rand der Koppel gestellt werden. Dadurch werden die Tiere vor allem mit den flatternden Bewegungen der Bänder vertraut. Bei der Bodenarbeit kann der Reiter dann dem Pferd voraus gehen und langsam durch den Rahmen durchlaufen. Pferde reagieren meistens dann am schreckhaftesten, wenn die Bänder direkt über ihnen flattern und auf ihrem Rücken zu spüren sind. Das Erfolgsrezept dieser Übung liegt daher einzig und allein in der Geduld.
Auch Fahnen lösen bei vielen Pferden regelrechte Panik aus. Nach dem Beschnuppern wird die Fahne zu einer langen Rolle zusammen gerollt und man beginnt vorsichtig das Pferd zu berühren. Nach und nach wird die Fahne entrollt und die Berührung kann etwas stärker werden. Am Schluss sollte man das Pferd komplett in die Fahne einhüllen können. Wenn dies gelingt, kann man ebenfalls beginnen die Fahne zunächst vorsichtig und dann immer schneller werdend zu wehen. Diese Steigerung sollte allerdings in sehr kleinen Schritten erfolgen und man muss darauf gefasst sein, dass das Tier versucht der Situation zu entfliehen.
Pferd in Longe einwickeln
Diese Übung dient in erster Linie dem generellen Vertrauen zwischen Reiter und Pferd. Dies ist ebenfalls Teil des Scheutrainings, da das Pferd lernt, dem Reiter auch in einer unbekannten Situation zu vertrauen und nicht mit fluchtartigem Weglaufen zu reagieren. Außerdem ist es eine Disziplinübung, da das Pferd lernt geduldig stehen zu bleiben (dies kann dem Reiter vor allem das Aufsitzen erleichtern). Man benötigt lediglich eine Longe (ca. 6 m) und einen weitläufigen Reitplatz. Zunächst stellt man sich auf den Reitplatz und versucht durch vorsichtiges Zupfen am Strick die Aufmerksamkeit des Pferdes zu bekommen. Diese Konzentrationsübung kann sehr lange dauern und sobald das Pferd den Reiter mehr als eine Minute konzentriert beobachtet hat, muss es sofort ausführlich gelobt werden. Wenn das Pferd anfängt zu kauen ist dies ein Zeichen von Wohlbefinden und ist daher als positives Zeichen zu verstehen. Bei dieser Übung sind klare Kommandos sehr wichtig und diese müssen immer wieder präzise und deutlich wiederholt werden (bspw. “Steh” oder “Bleib”). Das Pferd wird allerdings nur dann ruhig stehen bleiben, wenn der Reiter dies mit seiner eigenen Körperhaltung vor macht und nicht herum hampelt oder ungeduldig wird. Erst wenn es mehrere Male gelungen ist, dass das Pferd mindestens eine Minute ruhig steht und den Reiter fixiert, kann der Reiter beginnen sich dem stehenden Tier zu nähern. Das Pferd muss dabei stehen bleiben und weiterhin konzentriert bleiben. Der Reiter kann dann langsam und vorsichtig damit beginnen, die Longe um den Körper zu wickeln, während das Pferd weiterhin ruhig stehen bleibt.
Manche Pferde, bei denen auch das Aufsatteln stets mit Problemen belastet ist, sind in der Bauchregion sehr empfindlich und beginnen gegebenenfalls zu tänzeln. In diesem Fall muss die Übung von vorne erneut aufgebaut werden, das heißt, dass man sich erneut vor das Pferd stellt und versucht die volle Konzentration des Pferdes zu bekommen. Diese Trainingseinheit stärkt auch das Vertrauen zwischen Pferd und Reiter, da viele Pferde das Einwickeln als unangenehm empfinden.
Siehe auch: Die Ängste überwinden: Scheutraining für das Pferd Teil 2