Fürstliche Hofreitschule Bückeburg: Zu Gast bei Familie Krischke
Sind edle Pferde und barocke Reitkunst im Gespräch,
ist die Wiener Hofreitschule die erste Adresse, die stets genannt wird. Doch es muss gar nicht bis nach Österreich geschaut werden. Im niedersächsischen Bückeburg hingegen wird seit 2004 die barocke Reitkunst wieder gelebt. Reiten-weltweit war zu Gast in der Fürstlichen Hofreitschule Bückeburg.
Der Weg vom Bahnhof durch die Bückeburger Innenstadt lässt kaum erahnen, welch höfischer Glanz die Besucher hier erwartet. Gepflegte Mehrfamilienhäuser der letzten Jahrzehnte säumen die Straßen. Doch nach nur 10 Minuten Fußweg eröffnet sich eine andere Welt. Imposante historische Gebäude säumen den Markt und ein steinernes Tor weist den Weg in den Schlosspark Bückeburgs.
Die Marstallgebäude wurden bereits 1609 von Graf Ernst erbaut und seit dem waren hier ununterbrochen Pferde untergebracht, zuletzt Schul- und Pensionspferde des Reit- und Fahrvereins Bückeburg. Im Mai 2004 wurde die Fürstliche Hofreitschule Bückeburg eröffnet und wird von Familie Krischke geleitet. Dem gemeinnützigen Verein stehen Marstall, Reithaus und das Gelände um Schloss Bückeburg zur Verfügung. Er bringt den Besuchern die höfische Reitkunst näher, lebt und pflegt die Tradition.
Eine stattliche Kutsche mit beeindruckenden Kaltblütern ist die erste Pferdebegegnung beim Betreten des Geländes. Doch die nächste lässt nicht lang auf sich warten. Der Marstall liegt direkt links des Parkeingangs und eine Besichtigung ist im Eintritt für die Reitkunstvorführung am Nachmittag inklusive. In den Stallungen finden Pferdeliebhaber vierbeinige Vertreter der bekanntesten Barockpferderassen – und andere. Lipizzaner, PREs, Knabstrupper und ein Frederiksborger – alles Hengste – stehen völlig gelassen in ihren geräumigen Boxen. Zwei Pferde werden zur täglichen Arbeit vorbereitet und es herrscht eine angenehm ruhige Atmosphäre in den Stallungen. Auch das Maskottchen der Hofreitschule, ein Shetland-Pony-Hengst, steht in seiner Box und freut sich über Kratz- und Krauleinheiten der Besucher. Vom 4-jährigen bis zum über 20-jährigen sind hier alle Alters- und Ausbildungsstufen vertreten. Jedes Pferd hat seine eigene Geschichte und seine Lieblingsaufgaben, über die auf Tafeln an den Boxen unterhaltsam informiert wird.
Ein weiterer Trakt des Marstalls ist als Ausstellungsraum eingerichtet. Hier werden Sättel, Zäume, Gebisse und vieles mehr aus den vergangenen Jahrhunderten präsentiert. Hofreitschule zum Anfassen wird hier wiedermal deutlich: So dürfen die Besucher gern in den barocken Reitsätteln oder auch im Damensattel Platz nehmen.
Abwechslung steht für die edlen Pferde auf dem Programm. Denn gerade in der Zeit des Barock wurden die Tiere nicht für den Sport gehalten, sondern um sich an ihrer Schönheit und ihrem Ausdruck zu erfreuen. Dazu gehört nicht nur eine entsprechende Reitweise, die dem Pferd hilft, durch korrekten Muskelaufbau und ausdrucksvollem Gang schöner zu werden. Insbesondere das innere Wohlbefinden stand schon immer im Mittelpunkt dieser Sichtweise. Ein motiviertes, arbeitswilliges Pferd, was Freude am Leben hat, entwickelt eine besondere Ausstrahlung, einen ganz besonderen Blick. So gehen die Bückeburger Hengste täglich für ein paar Stunden auf die Weide, werden mehrmals in der Woche ausgeritten und abwechslungsreich an der Hand, der Longe oder unter dem Sattel gearbeitet.
Bei einem Spaziergang durch die schönen Parkanlagen ist es als nichts Besonderes, wenn Herr Krischke persönlich mit seinen Pferden vorbei reitet. In unserem Fall war er gleich mit zwei Pferden unterwegs. Zwischen dem Besuch im Marstall und der Reitkunstvorführung bieten die Schlossanlagen und der Park Raum für einen ausgiebigen Spaziergang oder ein gemütliches Picknick. Auch der Biergarten in der Nähe ist ein schöner Platz für eine entspannte Mittagspause.
Gäste der Reitvorführung sollten sich frühzeitig vor dem Reithaus einfinden. In der kleinen Reithalle gilt freie Platzwahl und so sichert man sich die beste Sicht. Unerwartet kühl ist es im Reithaus, doch auch hier hat die Hofreitschule Vorsorge getroffen. Am Eingang liegen Wolldecken für die Besucher bereit. Ziel der Reitkunstvorführung ist es, den Unterschied zwischen der barocken Reitphilosophie und dem Bild auf heutigen Turnierplätzen deutlich zu machen. Das gelingt Familie Krischke im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Lächeln. Bei unserem Besuch waren zuerst ein PRE-Rapphengst und ein Frederiksborger Fuchs in der Halle. Wolfgang Krischke kommentierte die Arbeit der Reiterinnen und entführte mit Witz in die Zeit der alten Reitmeister.
Für Reiter spannend zu beobachten, war der Frederiksborger. Erst 4-jährig und das dritte Mal bei einer solchen Vorführung dabei, wurde er mit leichtesten Hilfen in allen drei Gangarten geritten. Seitengänge in Schritt und Trab wurden ohne sichtbare Hilfen geritten. Der Rappe hingegen war etwas übermotiviert und wollte gern zeigen, was er kann. Fliegende Galoppwechsel oder Tritte der Piaffe nahm er gern vorweg. Doch die Reiterin Christin Krischke quittierte das mit einem Lächeln. Zwischen den versammelnden Übungen wurden die Pferde immer wieder in die Dehnung geschickt oder durften sich bei einer Pause entspannen. Nicht fehlen bei einer solchen Vorführung darf natürlich ein Springer. Also ein Pferd, dass die Aufgaben über der Erde vom Boden aus geführt, beherrscht. Krischke führte mit einem Knabstrupperhengst eindrucksvolle Capriolen vor. Nach jeder temperamentvoll ausgeführten Übung stand das Pferd völlig ruhig und entspannt in der Mitte der Bahn und wartete auf die Anweisung seines Herrn.
Spannungsgeladener Abschluss war das Fechten vom Pferd aus.
Ehepaar Krischke im Duell! Doch nicht das reiterliche Können und die Leichtigkeit in der Hilfengebung war für mich am eindrucksvollsten, sondern die entspannte, fröhliche Atmosphäre. Das Lächeln der Reiter war ehrlich, die Freude an der Reiterei und dem vierbeinigen Partner offensichtlich. Details, die in vielen Reitställen heute fehlen. Beeindruckend auch die stetige Kommunikation des Pferdes mit seinem Reiter. Keins der Tiere hat ein stummes, totes Maul. Alle waren lebendig am Kauen und kommunizierten so über das Gebiss mit der feinfühligen Reiterhand. Ein ungewohnt schönes Bild, würden doch viele Reiter einen Sperrriemen benutzen, um das „Sperren“ zu verhindern.
Die Fürstliche Hofreitschule in Bückeburg präsentiert damit die barocke Reitweise und ihre Philosophie auf sympathische und eindrucksvolle Weise. Neben den regelmäßigen Reitkunstvorführungen kann auch beim morgendlichen Training zugeschaut werden. Darüber hinaus werden weitere Veranstaltungen, Seminare und Vorführungen geboten. Der Verein hält bewusst Vertreter aller barocken Rassen in seinen Ställen. Eine eigene Rasse, den Bückeburger, gab es einst. Doch die Vielfalt der verschiedenen Pferde macht eine weitere Besonderheit dieser Hofreitschule aus. Nicht nur für Reiter und Pferdefreunde ist ein Besuch in Bückeburg lohnens- und sehenswert.