Die Ängste überwinden: Scheutraining für das Pferd Teil 2
Die kalten Wintermonate schränken die Reitmöglichkeiten stark ein und teilweise ist es sehr schwer, dem Pferd Abwechslung zu bieten.
Boden- und Scheutraining ist dann genau das Richtige!
Die Holzwippe
Wenn ein Pferd gelernt hat über eine Holzwippe zu gehen, kann das vor allem bei Geländeritten und bei der Verladung in einen Anhänger sehr hilfreich sein. Wenn es gilt, eine Brücke zu überqueren oder wenn der Untergrund generell wankend und uneben ist, hat das Pferd durch die Übung gelernt, seine Körperbalance zu halten. Grundsätzlich ist es auch bei dieser Übung wichtig, dass sich das Pferd zunächst mit dem Gegenstand vertraut macht und es beschnuppern kann. Dann kann man damit beginnen, das Tier zuerst über ein gerades Holzbrett zu führen, welches noch nicht kippt. Der Reiter kann vorgehen und das Pferd langsam und geduldig führen. Wenn diese Übung gelingt, kann zusätzlich ein Holzbalken unter dem Brett befestigt werden, sodass eine Wippe konstruiert wird. Wenn die Pferde das erste Mal den wackeligen Untergrund betreten, sind sie sehr verschreckt und versuchen so schnell es geht von der Wippe herunter zu springen. Nicht selten schrammen die Beine dann an die Holzenden, sodass sich das Pferd verletzt. Daher sollte vor allem am Anfang darauf geachtet werden stets Bandagen zu verwenden und somit die Gelenke und Knochen des Pferdes zu schützen. Steigerung der Übung: Das Pferd muss auf dem Brett stehen bleiben und immer hin- und her wippen. Extreme Steigerung der Übung: Das Pferd bleibt auf der Wippe im Gleichgewicht stehen. Manche Pferde finden große Freude an der Holzwippe. Generell ist die Überquerung der Wippe auch fester Bestandteil des Trails beim Westernreiten.
Der Klappersack
Der Klappersack ist eine besonders gute Übung für Pferde, die sehr schreckhaft auf Geräusche reagieren. Durch die Arbeit zwischen Tier, Reiter und klirrendem Beutel lernt das Tier vor allem auch dem Reiter zu vertrauen und nicht nur wegzulaufen. Für die Übung benötigt man geräuschvolle Gegenstände, wie beispielsweise Blechdosen, knisterndes Papier oder ähnliches. Spitze Gegenstände sind in jedem Fall zu vermeiden, um jegliche Verletzungsmöglichkeiten für das Pferd auszuschließen. Grundsätzlich gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, das Pferd mit dem Klappersack vertraut zu machen. Wir wollen zwei vorstellen:
1.) Auf dem leeren Reitplatz wird ein Viereck aus Bodenstangen gelegt. Das Pferd wird in das Viereck hinein geführt und bleibt darin frei stehen (es wird nicht am Strick festgehalten). Damit diese Übung gelingt und das Pferd still stehen bleibt, sollten vorher einige Konzentrations- und Disziplinübungen erfolgreich absolviert werden (beispielsweise “Pferd in Longe einwickeln”, siehe Scheutraining für das Pferd Teil 1). Die festen Markierungen am Boden helfen dem Pferd sich auf seinen Standpunkt zu konzentrieren und nicht wegzulaufen. Nachdem das Pferd ausgiebig Zeit zum Beschnuppern und Kennenlernen des Klappersacks bekommen hat, kann der Reiter vorsichtig damit beginnen, den Sack zu schütteln. Die meisten Tiere reagieren sehr unruhig auf die Geräusche und werden versuchen aus dem Viereck heraus zu treten und davon zu laufen. Nach einem solchen Abbruch ist es sehr wichtig die Übung immer wieder von vorne und sehr konzentriert aufzubauen. Ein Erfolg wird nur dann eintreten, wenn ausführlich gelobt wird und das Tier den Klappersack beispielsweise mit Leckerlis in Verbindung bringt. Wenn das Pferd sich an die Geräusche gewöhnt hat, kann damit begonnen werden, den Beutel immer stärker zu schütteln, bis man schließlich laut klappernd um das Tier herum laufen kann. Als weitere Steigerungsform kann der Klappersack an einen Stock oder einen anderen langen Gegenstand gebunden werden. Während das Fell des Pferdes leicht von dem geräuschvollen Beutel berührt wird, sollte da Tier weiterhin ruhig im Viereck stehen bleiben. Wenn auch diese Übung gut gelingt, können im letzten Schritt die Bodenstangen entfernt werden. Das Pferd sollte gelernt haben über die Gefahr nachzudenken und sie als nicht bedrohlich einzuschätzen. Folglich ist das Ziel der Übung, dass das Pferd ruhig stehen bleibt, während es am Körper vom Klappersack berührt wird.
2.) Pferd und Reiter befinden sich auf einem leeren Reitplatz, Paddock oder Round Pen. Der Klappersack liegt in der Mitte des Platzes und wird von Futter (Müsli, Äpfel, Möhren, ect.) bedeckt. Beim ersten Anlauf wird sich das Pferd direkt auf das Futter stürzen. Während es dann beginnt mit der Nase in dem Futter zu wühlen, wird es natürlicherweise auf die klappernden Gegenstände stoßen. Nach der ersten Begegnung mit diesen ungewohnten Geräuschen, schrecken die meisten Pferde hoch und laufen vom Futterberg weg. Nach dem ersten Schock und einer kurzen Verschnaufpause kann ein Pferd dem lockenden Futter jedoch nicht wiederstehen, sodass es sich erneut an die Futterstelle heranwagt. Da es beim Fressen immer wieder auf den Klappersack stößt, wird es die klirrenden Geräusche bald mit leckerem Futter in Verbindung bringen. Der Reiter sollte sich grundsätzlich bei dieser Übung zurück halten und das Pferd selber entscheiden lassen, wann es sich dem Klappersack nähern möchte. Allerdings kann der Trainer immer dann lobend intervenieren, wenn das Pferd das klappernde Geräusch selber auslöst. In manchen Fällen finden die Tiere richtig Spaß am Klappersack und beschäftigen sich auch damit, wenn das Futter bereits weggefressen ist. Diese Pferde nehmen den Beutel in den Mund oder scharren mit den Hufen darauf herum- solche Pferde haben ein neues Spielzeug gefunden.
Die Sprühflasche
Die meisten Pferde reagieren sehr empfindlich auf die Sprühflasche. Gründe hierfür sind neben der plötzlichen Nässe auf dem Fell vor allem das zischende Geräusch, welches ziemlich einzigartig und daher nicht einordbar ist. Dennoch kann es einige Situationen leichter machen, wenn ein Pferd mit der Sprühflasche vertraut ist (beispielsweise, wenn im Sommer eine bestimmte Substanz auf das Fell aufgetragen werden muss). Nachdem das Pferd die Flasche beschnuppert und kennen gelernt hat, kann man zunächst in einiger Entfernung des Pferdes auf den Boden sprühen. Dadurch wird das Tier mit dem zischenden Geräusch vertraut. Erst wenn das Pferd hierauf ruhig reagiert und keine Anzeichen macht wegzuspringen, kann man direkt auf den Boden neben dem Pferd sprühen und dabei einige wenige Male auch das Bein des Tieres streifen. Nach und nach die Häufigkeit steigern. Da die meisten Pferde bei dieser Übung sehr empfindlich reagieren, führt meistens nur eine Vielzahl an Wiederholungen, viel Geduld und Loben zu einem Erfolg.
Der aufgespannte Regenschirm
Wer durch das Gelände reitet und in den Regen gerät, der kann auch schon mal einem Spaziergänger mit Regenschirm begegnen. Viele Pferde zeigen sich irritiert von den bunten Farben und der teilweise großen und runden Form dieser Wasserabweiser. Wenn ein Pferd mit dem Regenschirm vertraut ist, stärkt das folglich vor allem die Sicherheit des Reiters. Für diese Übung begeben sich Pferd und Reiter auf einen leeren Reitplatz (das Pferd läuft frei herum). Nachdem der Reiter die Konzentration des Pferdes auf sich gezogen hat, spannt er den Regenschirm vorsichtig auf. Um ein panisches Fluchtverhalten des Pferdes zu vermeiden ist es sehr wichtig, den Schirm sehr langsam aufzuspannen und das Pferd nicht zu erschrecken. Wenn das Pferd auf diese Weise mit dem Schirm vertraut gemacht wurde, kann die Übung aus dem Sattel fortgeführt werden. Während Sie auf dem Pferd sitzen geht ein Helfer mit dem Regenschirm über den Reitplatz. Der Helfer befindet sich in einiger Entfernung und beginnt den Schirm langsam zu öffnen und zu schließen. Der Abstand zum Helfer soll dann nach und nach verkleinert werden. Sobald das Pferd sich von dem Regenschirm ablenken lässt, muss seine Konzentration mit Hilfe spezieller Übungen wieder auf den Reiter gerichtet werden (beispielsweise Schenkelweichen). Ziel ist es, dass der Helfer mit dem Regenschirm neben dem Pferd gehen kann. Dennoch muss stets ein gewisser Sicherheitsabstand eingehalten werden, da von der Spitze des Schirmes eine erhöhte Verletzungsgefahr ausgeht.
Die Plane
Die Plane auf dem Boden gehört mit zu den schwierigsten Übungen beim Scheutraining. Daher ist es empfehlenswert, dass das Pferd bereits mit anderen Einheiten vertraut ist und sich daher besser auf den Reiter und die neue Herausforderung einlassen kann. Da Pferde generell sehr bodenscheu sind, springen die meisten abrupt von der Plane weg und versuchen wegzulaufen. Um eine solche Reaktion zu vermeiden, wird die Plane (ca. 2 x 4 m) zunächst zu einem schmalen Streifen zusammen gefaltet. Das Pferd muss genügend Zeit bekommen den neuen Gegenstand zu beschnuppern. Um das Tier mit der Plane vertrauter zu machen, kann Futter darauf gestreut werden. Das Pferd lernt die Plane mit etwas Positivem zu verbinden. Ein gesenkter Hals ist dabei stets ein gutes Zeichen, da das Tier sich dann entspannt und Vertrauen in die neue Situation gewinnt.
Erst wenn dieser Prozess einige Male eingetreten ist, kann der Reiter beginnen, das Pferd langsam über die immer noch zusammen gewickelte Plane zu führen.
Da plötzliches Wegspringen anfangs die häufigste Reaktion ist, muss immer ein langer Strick verwendet werden. Sobald das Pferd sich von der Plane entfernt, muss sofort reagiert werden.
Der Reiter stellt sich vor das Pferd und verhindert dadurch das Weglaufen. Danach nimmt der Reiter den Strick bewusst kurz und führt das Pferd im kürzesten Winkel erneut an die Plane heran- das Pferd soll nicht denken, dass es sich mit Weglaufen vor der Übung drücken kann.
Erst wenn solche Ausbrüche nicht mehr stattfinden und das Pferd ruhig über die Plane steigt, kann diese nach und nach ausgefaltet und vergrößert werden.
Die Steigerung der Übung erfolgt bei Wind: Die Plane macht dann besonders viele raschelnde Geräusche und das Pferd muss viel Überwindung aufbringen, um dann noch über die Plane zu steigen.
Gelingt dies, ist das ein echter Vertrauensbeweis des Pferdes gegenüber dem Reiter und muss mit viel Lob gewürdigt werden.
Pferd in Plane oder Decke einwickeln
Diese Übung ist eine Aufbauübung an die vorher beschriebene. Sie kann nur gelingen, wenn sich das Pferd bereits komplett an die Plane gewöhnt hat. Nach und nach kann das Pferd an Rücken und Hinterhand leicht mit einer Decke oder Plane berührt werden.
Diese Übung kann intensiviert werden, indem die Berührungen stärker werden und sich auch auf Hals und sogar Kopf ausweiten. Oberstes Gebot ist stets langsames und geduldiges Vorgehen- ein Erfolg kann nur dann eintreten, wenn die Übung über einen langen Zeitraum regelmäßig durchgeführt wird. Im nächsten Schritt wird das Pferd am Strick geführt und der Reiter zieht in der anderen Hand die Plane hinterher. In dieser Situation muss das Pferd gleich zwei Dinge auf einmal überwinden: aus den Augenwinkeln heraus kann es den großen und dunklen Gegenstand sehen und mit den Ohren das raschelnde und ungewohnte Geräusch der auf dem Boden schleifenden Plane hören.
Siehe auch: Die Ängste überwinden: Scheutraining für das Pferd Teil 1