Pferdehaltung – Aber bitte artgerecht!
Doch was heißt eigentlich artgerecht?
Noch vor gar nicht langer Zeit war es der Standard, dass Pferde in dunkle Boxen, häufig gar in Ständerhaltung gesteckt wurden – ohne Auslauf mit anderen Pferden auf Paddock oder der grünen Wiese.
22 Stunden oder mehr müssen die Tiere so die Wände ihrer engen Boxen anstarren. Die einzigste Abwechslung: der Reiter, der sich ein paar Stunden mit seinem Pferd beschäftigt, aber auch das nicht immer.
Das ist definitiv NICHT artgerecht!
Gott sei Dank hat sich in Sachen Pferdehaltung heutzutage doch schon einiges getan.
Auch wenn es sich bei weitem noch nicht überall durchgesetzt hat – es ist zumindest ein Trend zur Besserung vorhanden
Muss man doch bedenken: Von ihrer Art her sind Pferde eigentlich Nomaden, allein beim Grasen legen sie täglich 6 km im Schritt zurück. Diese langsame, kontinuierliche Bewegung war für die Pferde überlebenswichtig, da sie den Körper in Fluchtkondition hielt. Eine entsprechende Haltung ist heutzutage eigentlich fast unmöglich. Zu begrenzt der Platz um soetwas für alle Pferde zu ermöglichen.
Also sollten wir uns lieber auf:
“Pferdehaltung – aber bitte so artgerecht wie möglich” einigen.
Bewegung, Futter, Licht, Luft, Sozialkontakte und Unterhaltung – die 6 Grundbedürfnisse eines Pferdes
Ein verantwortungsvoller Pferdebesitzer achtet darauf sein Pferd so artgerecht wie irgend möglich unterzubringen. Ein Pferd braucht nicht nur Bewegung und sondern auch Sozialkontakte, Abwechslung, Licht und Luft.
- Bewegung in Form von langsamen, kontinuierlichen Bewegungen, sich strecken zu können oder zu wälzen, zu buckeln oder einfach mal ohne Reiter loszugaloppieren ist wichtig um ein Pferd gesund und leistungsfähig zu erhalten.
Man darf nie vergessen, dass ein Pferd in freier Natur zwischen 10 und 16 Stunden pro Tag (meist zur Futtersuche) unterwegs ist. - Futter in kleinen Portionen, mehrmals täglich ist für den kleinen, aber immer hungrigen Pferdemagen ideal.
- Natürliches Licht im Tag- und Nachtrhythmus. Sehr wichtig das Tageslicht, dass sich auf den gesamten Organismus auswirkt und beispielsweise unverzichtbar für die Vitamin D-Bildung ist.
- Gute klare Luft ist wichtig für ein Tier, dessen Lungenoberfläche allein bis zu 2500 m² beträgt. Wichtig sind vor allem die natürlichen Klimareize im Rhythmus der Jahreszeiten. Desweiteren ist frische Luft die beste Prävention gegen Allergien.
- Sozialkontakte sollte man Pferden soviel wie möglich bieten. Pferde sind Herdentiere und stark sozial geprägt. Sie brauchen den Kontakt zu anderen Pferden um ihre sozialen Bedürfnisse ausleben zu können.
- Abwechslung vom Stehen in der Box und von der stupiden Reiterei in der Halle z.B. in Form von Geländeritten, Bodenarbeit, Spaziergängen uvm.
Hier finden Sie eine Fülle an Ideen für einen abwechslungsreichen Stallalltag:
- Die Ängste überwinden: Scheutraining für das Pferd Teil 1
- Longenkurs – Erfahrungsbericht Teil 1 – Richtiges Longieren in der Praxis
- Albtraum Winter – Motivation für Pferd und Reiter
- Mit bunten Ideen gegen den Winter-Blues
Sorgt man als Pferdebesitzer nicht für diese Grundbedürfnisse muss man sich nicht wundern, wenn man den Tierarzt öfter sieht, als einem lieb ist. Die Folgen für nicht artgerechte Haltung sind chronische Erkrankungen der Atemwege durch die fehlende frische Luft, Erkrankungen des Bewegungsapparates, Verhaltensstörungen wie Koppen, Headshaking oder Weben und, und, und …
Folgende Arten der Pferdehaltung gibt es:
Ständerhaltung
Die Ständerhaltung, eine Anbindehaltung, ist Gott sei Dank heutzutage kaum noch anzutreffen. In vielen Bundesländern ist sie verboten, da sie dem Pferd in keinster Weise gerecht wird. Das Pferd steht angebunden in einem Stand, der durch bewegliche Balken (an Ketten von der Decke hängend) oder Trennwände vom nächsten Stand abgetrennt ist.
Boxenhaltung
Die Boxenhaltung ist die häufigste Unterbringungsart. Bei dieser Haltung ist es wichtig dafür zu sorgen, dass das Pferd genügend Weideauslauf und Kontakt zu anderen Pferden bekommt. Die Boxen sollten groß, hell und luftig sein. Vorteil dieser Haltung: Bequem für den Reiter, da das Pferd immer verfügbar und sauber ist …
Hier finden Sie alle Informationen für die perfekte Einstreu für die Box.
Paddockboxen-Haltung
Eine schöne Alternative zur herkömmlichen einfachen Box, ist die Paddockbox. Das Pferd hat an seiner Außenbox einen kleinen, eigenen Auslauf (Paddock), den es jederzeit betreten kann. Das bedeutet zusätzlich zum täglichen Weidegang noch mehr Bewegung und Abwechslung für das Pferd. Allerdings kann es dann auch schon mal sein, dass der Reiter auch mal ein nasses Pferd vorfindet, da das lieber im Regen, als drinnen in der Box gestanden hat.
Offenstall/Robusthaltung
Diese Haltung kommt den Bedürfnissen des Pferdes eigentlich am Nächsten – wenn alles gut durchdacht ist. Jederzeit und das ganze Jahr über, meist mit mehreren Pferden, Auslauf im Freien ist für die Pferde ideal, allerdings nicht, wenn sie die ganze Zeit im Matsch stehen und/oder keine Möglichkeit haben sich unterzustellen. Auch ist es dabei wichtig darauf zu achten, dass die Pferde miteinander auskommen. Es gibt auch unter Pferden manchmal Feind- genauso wie Freundschaften. Gut ist, wenn ein Offenstall zur Verfügung steht, der an drei Seiten geschlossen ist mit der offenen Seite dem Wind abgewandt. Der Stall sollte nicht in einer Mulde stehen. Regenwasser könnte sich zu schnell ansammeln und der Boden dadurch schlecht trocknen. Auch wäre eine zusätzliche Einzelbox nicht schlecht, falls mal ein Pferd krank werden sollte.
Anstrengender für den Reiter
Für den Reiter ist diese Haltung allerdings anstrengender. Bei schlechtem Wetter müssen die Pferde vor dem Reiten dementsprechend aufwändig geputzt werden bzw. wenn sie zu nass sind kann man evtl. auch mal gar nicht reiten.
Lauf/Bewegungsstall
Der Laufstall ist sozusagen die Weiterentwicklung des Offenstalls. Die Pferde leben wie in einem Offenstall doch zusätzlich wird dafür gesorgt, dass sie sich um ihre Bedürfnisse zu befriedigen wie in freier Wildbahn von einem Ort zum anderen bewegen müssen. Also Wasser, Futter, Möglichkeiten zum Wälzen uvm. sind voneindander getrennt und halten so das Pferd in Bewegung.
Im § 2 des Tierschutzgesetzes heißt es:
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
- muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,
- darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
- muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Den kompletten Gesetzestext findet man hier
Artgerechte Pferdehaltung – häufig nicht mal im Ansatz vorhanden
LEIDER kann heute in vielen Ställen immer noch nicht annähernd von einer artgerechten Haltung der Pferde gesprochen werden. Die Prüfsiegel der FN sind übrigens keinesfalls ein Beleg dafür, dass es den Pferden in diesen Ställen wirklich “gut” geht. Es wird sicher darauf geachtet, dass es keine gravierenden “Missstände” gibt – aber artgerechte Pferdehaltung – davon kann (noch) keine Rede sein.
—Alle Angaben ohne Gewähr—
Hallo,
ich suche einen Reitkurs in Schleswig-Holstein oder Dänemark. Wie kann ich sehen oder wo kann ich nachlesen welche Höfe wirklich für ihre Pferde sind (Artgerecht bzw. Paddockboxen oder oder Offenstall).
Vielen Dank für die Hilfe.
herzlichen Gruß,
Micha