Torkelnder Gang und Probleme bei der Koordination: Ataxie beim Pferd
Ein watschelnder Gang, stolpern oder sogar ein Wegknicken mit den Hinterbeinen:
Pferde, die an Ataxie leiden, können ihre vier Beine nicht richtig koordinieren.
Grundsätzlich wird Ataxie in drei verschiedene Arten eingeteilt: die spinale, die zerebrale und die zerebellare Ataxie.Jeder, der ein Pferd live gesehen hat, das an Ataxie leidet, versteht die Benennung dieser schwerwiegenden Krankheit. Denn das griechische Wort „Ataxie“ bedeutet Unordnung – und genau diese herrscht bei den Bewegungsabläufen der betroffenen Pferde. Die Hinterbeine zucken in verschiedene Richtungen und die Bewegungen der Beine erscheinen regelrecht willkürlich und chaotisch.
Was genau ist Ataxie?
Bei der Ataxie handelt es sich um eine Schädigung des zentralen Nervensystems, d.h. des Rückenmarks oder des Gehirns. Diese Schädigung kann durch viele verschiedene Ursachen hervorgerufen werden. Die Wirbelsäule des Pferdes setzt sich aus dem Wirbelkanal und dem dadurch verlaufendem Rückenmark zusammen. Die Fasern des Rückenmarks bilden die „Informationskanäle“ des Körpers: Die Befehle des Gehirns werden durch die Fasern im Rückenmark an die entsprechenden Körperteile weitergegeben. Bei der Ataxie wird der Informationsaustausch zwischen dem Kopf und dem Rest des Körpers gestört. Das hat zur Folge, dass das Pferd das Empfinden für seinen Huf verliert und damit diesen nicht bewusst nach vorne, hinten oder zur Seite setzen kann. Erst durch den Druck im gesamten Bein wird dem Pferd bewusst, dass der Huf bereits auf dem Boden aufgesetzt ist. Im Gesamtbild sind dem Pferd klare Koordinationsstörungen bei seinen Bewegungsabläufen anzusehen.
Die drei verschiedenen Arten der Ataxie
Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Arten der Ataxie: die spinale, die zerebrale und die zerebellare Ataxie.
Spinale Ataxie
Die spinale Ataxie tritt bei Pferden am häufigsten auf. Pferde, die an dieser Art der Ataxie leiden, haben eine Verengung der Wirbelkanals (Spinalkanals). Bestimmte Wirbel drücken auf die Fasern im Inneren des Wirbelkanals, wobei vor allem der Bereich der Halswirbelsäule betroffen ist. Die aus dem Gehirn kommenden Befehle werden dadurch fehlerhaft an die Muskulatur weitergeleitet, sodass diese unsinnige und störende Bewegungen ausführt. Pferde, die an der spinalen Ataxie leiden, werden auch Wobbler (englisch von to wobble = wackeln) genannt.
Ursachen der spinalen Ataxie
In den häufigsten Fällen wird eine Verengung der Wirbelsäule durch einen Sturz und eine daraus entstehende Verletzung im Rückenbereich verursacht. Gerade Jungpferde und Hengste können bei ihren imposanten Posen und Rangeleien schnell stürzen und über den Kopf und Hals nach vorne abrollen. Steine und Äste können somit auf den Rückenbereich aufprallen und dort Schwellungen, Entzündungen oder gar Verrenkungen verursachen. Auftretende Schwellungen führen dann zu einer Verengung des Wirbelkanals und zu einer Irritation der Fasern im Rückenmark. Bei Verrenkungen von Wirbeln drücken diese sogar direkt in das Rückenmark.
Desweiteren kann sich eine spinale Ataxie im Wachstumsprozess von Fohlen und Jungpferden (bis zu vier Jahren) entwickeln. Eine erhöhte Fütterungszufuhr von Phosphaten und Eiweißen sorgt für einen unregelmäßigen Wachstumsprozess des Wirbelkörpers. Dadurch können bestimmte Wirbel im Bereich der Halswirbelsäule miteinander verrenken und auf das Rückenmark drücken. Dieser Druck auf das Rückenmark wird verstärkt, wenn das Pferd den Hals senkt.
Zerebrale und zerebellare Ataxie
Bei der zerebralen und der zerebellaren Ataxie wird nicht die Wirbelsäule, sondern das Gehirn direkt betroffen. Die Störung des Informationsaustausches findet hierbei folglich nicht erst beim Leiter (Rückenmark), sondern direkt beim Sender (Gehirn) der Befehle statt. Bei der zerebralen Ataxie sind hierbei die großflächigen Bereiche des Gehirns, das heißt das Groß-, Mittel– und Zwischenhirn betroffen. Die zerebellare Ataxie hingegen beschreibt eine Schädigung des Kleinhirns. Die Funktion des Kleinhirns umfasst hierbei die Vermittlung von Befehlen bezüglich des Gleichgewichts und der Sinndeseindrücke.
Ursachen der zerebralen und der zerebellaren Ataxie
Eine Schädigung des Gehirns wird vor allem durch Virus- und Bakterieninfektionen verursacht (beim Menschen ist dies mit der so genannten Hirnhautentzündung vergleichbar). Besonders gefährlich und häufigster Auslöser zugleich ist der Equine Herpes-Virus. Die durch die Viren verursachten Schwellungen und Entzündungen im Gehirn verengen die Nervenbahnen. Dadurch können die Befehle, die im Gehirn entstehen, nur teilweise oder gar nicht über das Rückenmark an die Muskeln weitergeleitet werden. Das Pferd ist damit fast gänzlich bewegungsunfähig. Neben dem Herpes-Virus sind vor allem auch die Borrelia burgdorferi Bakterien zu fürchten. Sie sind die Verursacher einer Borreliose und können damit zu schweren Entzündungen innerhalb des Gehirns führen. Weitere potenzielle Auslöser sind Parasiten (diese können sich vom Gehirn bis hin zum Rückenmark ausbreiten), sowie schwere Vergiftungen (diese greifen vor allem Nervenbahnen an).
Symptome einer Ataxie
Die Krankheit Ataxie hat in ihrer Erscheinungsform viele verschiedene Ausprägungen. Daher sind auch die Symptome sehr unterschiedlich und vom jeweiligen Stadion der Krankheit abhängig. Viele der typischen Anzeichen treten schleichend auf, sodass die Ataxie in vielen Fällen erst dann diagnostiziert wird, wenn sie bereits weit fortgeschritten ist. Das erste Anzeichen einer Ataxie ist ein patschiger, regelrecht betrunken wirkender Gang. Vor allem die Bewegungen der Hinterbeine wirken komplett unkontrolliert und ungeordnet. Der gestörte Gleichgewichtssinn ist auch durch die eingeschränkte Bewegungsfähigkeit des Halses erklärbar: Da dieser bei senkender Bewegung stark schmerzt, kann er seiner ausbalancierenden Funktion nur schwer nachkommen. Desweiteren haben die betroffenen Pferde große Probleme beim Rückwärtsgehen: Die starke Biegung des Halswirbels führt zu einer erhöhten Quetschung des Rückenmarks. Weitere Probleme stellen sich bei engen Wendungen ein, da auch hier der Hals des Pferdes weit gebogen wird. Die Koordinationsstörungen lassen sich bei einer engen Wendung besonders gut erkennen: Wenn das Pferde mehrere Male eng gedreht wurde und dann plötzlich zum Stillstand kommen soll, kann beobachtet werden, wie die Beine ganz einfach der Schwerkraft folgen und regelrecht unkoordiniert weiter drehen. Das Pferd braucht dann mehrere Anläufe, bis es die Beinstellung korrigiert hat.
Weitere Symptome für eine Ataxie sind:
- Häufiges Stolpern
- Unsicherer Gang auf unebenem Gelände (vor allem bei starkem Gefälle)
- Wegknicken mit den Hinterbeinen
- Ruckartige Bewegungen der Beine
- Kaum vorhandener Wiederstand beim seitlichen Wegziehen des Schweifes
Grundsätzlich werden Pferdebesitzer von Experten und Tierärzten immer wieder gewarnt, nicht in den ersten Anzeichen eines unregelmäßigen Ganges eine Ataxie zu diagnostizieren. Die Ursachen für ein lahmendes Pferd, das einen ataktischen Gehrhythmus aufweist, können sehr vielfältig sein: von einer leichten Verstauchung bis hin zu einer gravierenden Hufreherkrankung ist vieles möglich. Daher ist es sehr wichtig, dass der Pferdebesitzer den Gang seines Pferdes stets genau beobachtet und einen Tierarzt zur Beratung hinzuzieht.
Wenn das Pferd an einer zerebralen oder zerebellaren Ataxie erkrankt ist, geht dieser eine schwere Infektionskrankheit hervor. Bei einer ernsthaften Entzündung im Gehirn liegt das Pferd komplett flach und kann sich nicht mehr bewegen. Der Zustand ist äußerst kritisch und kann bis zum Tod führen. Aufgrund der Schwere dieser Krankheit, können Nerven gravierend beschädigt werden. Falls das Pferd die schlimmen Entzündungen der Infektionskrankheit überlebt, kann dann aufgrund der scheren Schäden der Nerven eine Ataxie als Folgekrankheit auftreten.
Sie Symptome einer Ataxie können leicht mit denen eines Kreuzverschlags, Hufrehe oder einer HYPP-Erkrankung verwechselt werden.
Wie wird eine Ataxie diagnostiziert?
Sobald eine auffällige Unregelmäßigkeit im Gang des Pferdes zu sehen ist, sollte umgehend ein Tierarzt kontaktiert werden. Bevor dieser eintrifft, sollte sich der Besitzer genau überlegen, wann er welche Symptome das erste Mal beobachtet hat. Außerdem sollte er bei der Befragung durch den Tierarzt angeben können, ob das Pferd vor dem Auftreten der ersten Symptome einen schweren Sturz oder eine schwerwiegende Erkrankung (mit Fieber?) hatte. Um die Untersuchung außerdem zu vereinfachen kann es stets sehr hilfreich sein, wenn der Pferdehalter genau über den aktuellen Impfstatus des Pferdes Bescheid weiß.
Nachdem der Tierarzt das Pferd allgemein untersucht und eine mögliche Ataxie-Erkrankung ins Visier genommen hat, wird mit einer neurologischen Untersuchung fortgefahren. Diese befasst sich vorwiegend mit der Reaktions- und Bewegungsfähigkeit des Tieres. So wird der Tierarzt beispielsweise das Pferd in engen Wendungen und Rückwärts führen und dabei die Koordination der Beine beobachten. Nach der ausgiebigen Untersuchung kann der Tierarzt bereits eine vorläufige Diagnose stellen. Für die endgültige Sicherheit muss eine Röntgenuntersuchung gemacht werden. In Fällen von extrem schwierigen Pferden muss diese sogar unter Vollnarkose in der Klinik durchgeführt werden. Bei einer so genannten Myelographie wird Kontrastmittel in den Wirbelkanal gespritzt, um so die Verengungen und Verrenkungen genau lokalisieren zu können.
Therapiechancen der Ataxie
Ataxie gibt es in verschiedenen Stadien. Pferde, die nur an einer leichten Ataxie leiden, können dennoch weiterhin geritten werden. Im Falle einer bereits stark fortgeschrittenen spinalen Ataxie, muss sich der Pferdebesitzer jedoch genau überlegen, was für das Pferd das Beste ist. Diese Tiere können aufgrund des hohen Risikos eines plötzlichen Einknickens der Hinterbeine und der damit einhergehenden Gefahr für den Reiter nicht mehr geritten werden. Generell halten sich die Tierärzte mit ihren Prognosen über die möglichen Heilungschancen sehr bedeckt. Da Nervenschäden nicht heilbar sind, sind die herrschenden Koordinationsprobleme nur äußerst schwer bis gar nicht zu besiegen. Gemeinsam mit dem Tierarzt muss daher besprochen werden, was wirklich realistisch ist – um am Ende keine Hoffnungen enttäuschen zu müssen.
Bei einer spinalen Ataxie kann ein individueller Therapieplan erstellt werden. Die medikamentöse Behandlung bei einer zerebralen und zerebellaren Ataxie basiert auf der Vergabe von abschwellenden Medikamenten (Antibiotika, Immunserum), sowie unter Umständen Antiparasitika. Die Verabreichung des Spurenelements Selen und des Vitamin E unterstützt zusätzlich die Halsmuskulatur, um dadurch die Halswirbelsäule zu entlasten. Bei einem operativen Eingriff werden die betroffenen verrenkten Wirbel mittels einer Schraube versteift. Dadurch werden die Kontrollprobleme der Beine eventuell gebessert, jedoch gleichzeitig auch die Bewegungsfreiheit des Pferdes sehr stark eingeschränkt. Zu diesem Eingriff wird daher nur in sehr seltenen Fällen geraten – denn schließlich ist das Pferd ein energiegeladenes Bewegungstier!
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—Alle Angaben ohne Gewähr—
Vielen Dank für die ausführliche Erläuterung. Unser Pferd hat eine vom Tierarzt diagnostizierte Ataxie. Leider weiss ich nicht ob das Pferd Schmerzen hat und leidet, oder ob es diesen Zustand als gegeben hinnimmt. Es fühlt sich wohl, frißt, trinkt normal, knickt wenn man ihr spatzieren läuft hinten etwas ein.